Erbschaften

Ein verwildertes Haus

Auf dem Weg zu einem Kunden fuhr ich durch ländlichen Raum. In einem Ort fädelten sich die Häuser, in angenehmer Entfernung zueinander, an der Straße zu einer langen Kette. Wie ein Leben.

 

Plötzlich lag da ein Haus einsam und verlassen.

Die Wege, wie das Haus, waren umwuchert von Gestrüpp und hohem Gras, ohne Garten und Nebengebäude. Eine Erinnerung. Hier herrschte einmal Leben, Geschichten und Geschichte. Offenbar wird dieses Haus nicht mehr gebraucht. Oder es möchte ganz bewusst niemand mehr in dieser Hülle wohnen. Sie passt nicht mehr.

 

Neulich machte eine Bekannte mir in einem Gespräch erneut bewusst, wie unterschiedlich sich der Umgang mit alten Häusern gestaltet.

Je mehr Menschen einen Bezug zu diesem einen Haus haben, desto vielfältiger sind die Erwartungen und Strategien des Umgangs damit. Abreißen, umbauen oder erhalten? Und bedeutet das Erhalten eines Hauses automatisch Pflege, oder Zurücklassen, Verdrängung und langsamer Verfall? Was tun, wenn es eine gemeinsame Verantwortung für ein Haus gibt und die Besitzer einen unterschiedlichen Umgang damit pflegen?

 

Manche Räume oder ganze Häuser haben uns in einer bestimmten Zeit Schutz geboten und gepasst. In Übergangszeiten wechseln wir Tapeten oder entscheiden uns für neue Möbel.

Für die meisten von uns gibt es allerdings irgendwann deutliche Zeichen, das alte Haus zu verlassen. Und dann geht der innere wie äußere Disput los. „Das kannst du doch nicht tun! Das war doch bisher richtig- was ist denn passiert?“ „Was werden die Anderen sagen?“ „Du kannst doch die Anderen nicht mit der Verantwortung allein lassen!“ „Da steckt doch so viel Arbeit drin, dass werde ich doch jetzt nicht aufgeben.“

 

„Aufgeben? – Niemals!“, rufen Angst und Unsicherheit unter dem Deckmantel der Tradition. „Aufgeben! Na klar! Aufgeben bedeutet auch Gewinn durch Raum für Neues“, ruft der Mut der Innovation.

Entscheidest du dich für Loslassen und Neubeginn, ist es wichtig, den Umgang mit den alten Hinterlassenschaften bewusst zu klären. Denn ohne Klärung holen dich die „Ruinen früherer Zeiten“ irgendwann ein.

 

Mann sieht sich immer zweimal im Leben, sagt ein bekanntes Sprichwort.

 

Im übertragenen Sinne bedeutet dies, wenn eine Lebensphase, eine Aufgabe, eine Freundschaft beendet scheint, „das Haus gebaut ist und nun nicht mehr passt“, bedenke deinen Abschied sehr bewusst. Gib diesen Erfahrungen einen Platz.

Wenn du deinen Lebenserfahrungen Bilder von Häusern gibst, wird es kleine, enge, trostlose Häuser geben. Dann wieder romantische, verspielte Pavillons. Große Paläste? Dunkle, muffige Burgen oder lichtdurchflutete, helle Häuser?

  • Welche Häuser möchtest du bewahren zur Erinnerung, zur Reflexion anlässlich seltener Besuche?
  • Welche Häuser musst du abreißen und wie gehst du mit dem leeren Platz um?
  • Welche Häuser vertragen weitere Um-und Anbauten und gehören weiterhin in dein Leben?
  • In welcher Umgebung möchtest du ein neues Haus bauen?
  • Hättest du gern Nachbarn?
  • Was soll in deinem Haus unbedingt vorhanden sein und was auf keinen Fall?

 

Wann immer du vor der Entscheidung stehst, dich von einem Haus, einem Ort zu trennen, berufliche wie private „Zelte abzubrechen“, kläre diese Fragen für dich und verabschiede dich ganz bewusst. Ob mit einem letzten Besuch oder einem rauschenden Fest, mit einem sehr persönlichen Ritual- das entscheidest du.

Wichtig ist, dass du in dem Augenblick sicher bist, dass du diesen Ort erneut aufsuchen und den Menschen ein zweites Mal begegnen kannst.

 

Bei uns Menschen gelingt nicht jeder Auszug oder Abriss verletzungsfrei.

Es gibt ja auch das Sprichwort, die Zeit würde alle Wunden heilen. Manchmal musst du dafür allerdings einiges tun und für Pflaster sorgen. Für dich und deine Mitmenschen. Und hast du Häuser bewusst verfallen lassen, ist es an dir, zuerst den Schutt wegzuräumen und neue Wege anzulegen.

Das ist deine Chance, wenn die ausgetretenen Wege zugewachsen sind. Neue Wege ermöglichen Wandel und Umbruch. Warum ist da wohl das Wort Bruch enthalten? Das wäre jetzt der Start für einen neuen Blog.

 

Zumindest könnte ein Bruch sein, alte Häuser jetzt endgültig in die Verantwortung Anderer abzugeben.

Ein erfolgreiches Häuser-Management wünscht dir,

 

Deine Kerstin D. Richter